Institut für Didaktik der Naturwissenschaften Forschung Forschungsprojekte
Betroffenheit von biologischen Kontexten: Psychologische Distanz gegenüber komplexen und kontroversen Umwelt- und Gesundheitskontexten

Betroffenheit von biologischen Kontexten: Psychologische Distanz gegenüber komplexen und kontroversen Umwelt- und Gesundheitskontexten

Leitung:  Dr. Alexander Büssing, Dr. Benedikt Heuckmann
E-Mail:  buessing@idn.uni-hannover.de
Jahr:  2019
Laufzeit:  seit 2019

Abstract

Im Forschungsprojekt sollen Grundlagen für die Anwendung des Konstruktes der psychologischen Distanz (Liberman & Trope, 2014) bezogen auf komplexe und kontroverse Umwelt- und Gesundheitskontexte geschaffen werden. Diese Grundlagen können helfen die Betroffenheit und Eingebundenheit in diesen Kontexten besser zu verstehen, was eine Voraussetzung für bedarfsgerechtere biologische Bildung sein kann.

Projektbeschreibung

Während biologische Themen in unserem Alltag immer wichtiger werden, ist die Möglichkeit der direkten Interaktion mit diesen Themen häufig eingeschränkt. So ist eine direkte Erfahrung des Klimawandels beispielsweise nur schwer möglich und auch bestimmte Gesundheitskontexte (wie z.B. die Ausbrüche von Ebola und Zika in den Jahren 2014-2016) sind für viele Personen eher weit entfernte Themen. Dabei konnten psychologische Arbeiten zeigen, dass die empfundene Nähe zu einem Thema eine wichtige Voraussetzung für die Verarbeitung von Informationen darstellt. Daher stellt diese Nähe ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für Lehr-/Lernprozesse dar. Im vorliegenden Forschungsprojekt soll das Konstrukt der psychologischen Distanz nach Liberman & Trope (2014) daher angewendet werden, um die gefühlte Nähe gegenüber spezifischen Kontexten besser zu verstehen und Schlussfolgerungen für die Gestaltung biologiebezogener Lehr-Lernprozesse zu ermöglichen.

Psychologische Distanz beschreibt generell die subjektive Erfahrung von Entfernung zu bestimmten Objekten, Ereignissen oder Aktionen (Liberman & Trope, 2014). Eine zentrale Annahme der Theorie der psychologischen Distanz ist die Dimensionalität. Diese beschreibt, dass Menschen die Nähe zu bestimmten Objekten in Bezug auf die geografische, temporale, soziale und hypothetische Entfernung einschätzen. Menschen fühlen sich also dann Objekten nahe, wenn diese in ihrer direkten Umgebung (geografisch), im unmittelbaren Zeitpunkt (temporal), ihnen selbst und nicht anderen (sozial) passieren und generell wahrscheinlich sind (hypothetisch).

Im Rahmen des Projektes wurde das Konstrukt bereits erfolgreich herangezogen, um die Distanz zu verschiedenen Kontexten zu untersuchen. Bisher lag ein Schwerpunkt dabei auf der Frage, in welchem Zusammenhang psychologische Distanz mit Faktoren steht, die für die Professionalisierung von Lehrkräften relevant sind. So konnte in einer Studie aufgezeigt werden, wie eine geringere psychologische Distanz gegenüber der Rückkehr des Wolfes in einem positiven Zusammenhang mit der Lehrmotivation gegenüber dem Unterrichten dieses Themas steht (Büssing, Schleper & Menzel, 2019). Diese Zusammenhänge konnten ebenfalls auf die Kontexte Klimawandel und Präimplantationsdiagnostik übertragen werden (Büssing, Dupont, Menzel, 2020). In einer weiteren Studie konnte zudem aufgezeigt werden, wie die Erfahrung von Krebserkrankungen im unmittelbaren sozialen Umfeld die Bereitschaft zum Unterrichten des Themas Krebserkrankungen bestimmen kann (Heuckmann, Asshoff & Hammann, 2020).

Das übergeordnetes Ziel des Projekts ist daher die weitere grundlagenorientierte Untersuchung des Konstrukts „psychologische Distanz“ und seine Adaption für biologiebezogene Lehr-Lernprozesse. Da die bisherigen Studien vor allem auf Biologiestudierende und für deren Professionalisierung relevante Faktoren bezogen waren, besteht eine Hauptaufgabe des Projektes in der Adaptation des Konstruktes für Lehr-Lernprozesse von diverseren Kohorten. Eine solche Anwendung würde es zudem erlauben, die Rolle der psychologischen Distanz für schulisches Biologielernen nutzbar zu machen und geeignete Varianten der Operationalisierung zu erforschen.

Für weitere Rückfragen oder Anmerkungen stehen Alexander Büssing oder Benedikt Heuckmann gerne zur Verfügung.

Literatur

  • Büssing, A. G., Schleper, M., & Menzel, S. (2019). Do Pre-service Teachers Dance with Wolves? Subject-Specific Teacher Professional Development in A Recent Biodiversity Conservation Issue. Sustainability, 11(1), 1–24. doi.org/10.3390/su11010047
  • Büssing, A. G., Dupont, J., & Menzel, S. (2020). Topic Specificity and Antecedents for Pre-service Biology Teachers’ Anticipated Enjoyment for Teaching about Socio-Scientific Issues: Investigating Universal Values and Psychological Distance. Frontiers in Psychology, 11(1536), 1–18,  https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.01536
  • Heuckmann, B., Hammann, M., & Asshoff, R. (2020). Identifying predictors of teachers’ intention and willingness to teach about cancer by using direct and belief-based measures in the context of the theory of planned behaviour. International Journal of Science Education, Online First, 1–29. doi.org/10.1080/09500693.2020.1717671
  • Liberman, N., & Trope, Y. (2014). Traversing psychological distance. Trends in Cognitive Sciences, 18(7), 364–369, https://doi.org/10.1016/j.tics.2014.03.001